Enuresis - Einnässen



Enuresis bedeutet Einnässen.


Viele Kinder nässen ein. Dies gehört zu den häufigsten Störungen des Kinder- und Jugendalters. Und es gibt auch nicht wenige Erwachsene, denen dies passiert.
Leider ist alles, was damit zu tun hat, in unserer Gesellschaft ein Tabuthema, um das sich viele Ammenmärchen ranken.
Betroffene schämen sich dementsprechend, fürchten Spott, versuchen ihr Problem zu verheimlichen, leiden darunter oft erheblich mehr als unter dem Einnässen selbst.

Höchste Zeit, dass sich da etwas ändert!



Hier ein paar Fakten:



Enuresis wird als unwillkürlicher Harnabgang erst ab einem Alter von 5 Jahren diagnostiziert, in der Schweiz wartet man damit sogar, bis die Kinder 8 Jahre alt sind.

Und zwar dann, wenn das Einnässen über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten hinweg bei einem Alter unter 7 Jahren mindestens zweimal, darüber mindestens einmal monatlich auftritt.
Es gibt jedoch auch nicht wenige Betroffene, bei denen es dauerhaft mehrmals täglich bzw. nächtlich vorkommt.

Männliche Personen sind häufiger betroffen als weibliche (etwa 1,5 - 2 : 1), nächtliches Einnässen ist häufiger als solches tagsüber:

Nachts nässen 25% der Vierjährigen, 10% der Siebenjährigen, 1-2% der Jugendlichen und immerhin noch 1% der Erwachsenen ein.
Tags nässen 2-3% der Siebenjährigen und unter 1% der Jugendlichen ein.

Die spontane Rückbildungsrate beträgt 13% jährlich, das heißt, dass sich in jedem Jahr bei 13 von 100 "noch" Betroffenen das Problem von selbst löst.



Das bedeutet also auch, dass durchschnittlich von einer Schulklasse mit 30 Kindern gleich 3 nachts einnässen - und meist Angst haben, dass dies bei einer Klassenfahrt jemand merken könnte oder darum nicht wagen, bei einem Klassenkameraden zu übernachten.
Und dass in jeder dritten bis vierten Grundschulklasse ein Kind ist, dem auch tagsüber immer wieder mal ein Malheur passiert und das sich dann meist vor Hänseleien fürchten muss.





Es sollte sorgfältig abgeklärt werden, aus welcher Ursache Betroffene einnässen.

Wie mit dem Einnässen konkret umgegangen werden sollte, ist davon abhängig.

Ein Urologe untersucht das Kind dazu körperlich, kontrolliert mit Ultraschall die Nieren und die Blase auf Veränderungen (manchmal ist z. B. auch einfach nur die Blase noch zu klein, um normale Urinmengen fassen zu können), wertet eine normale Harnprobe aus und lässt gegebenenfalls ein Miktionsprotokoll erstellen, mit dem festgehalten wird, wie stark und häufig der Urinabgang ist. Diese Untersuchungen können gewöhnlich ambulant durchgeführt werden und bleiben meist ergebnislos.

Auch psychische Ursachen sind - entgegen früherer Annahmen - sehr selten. Diese in Erwägung zu ziehen macht nur Sinn, wenn alle anderen Ursachen ausgeschlossen wurden und wenn es sich um eine sekundäre Enuresis handelt, das Kind also - im Gegensatz zur primären Enuresis - bereits mindestens 6 Monate lang wirklich trocken war und es danach plötzlich zu einem "Rückfall" kam.

Häufig hingegen ist die Ursache ein Hormonmangel.
In diesem Fall erzeugt die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) noch nicht ausreichend das Antidiuretische Hormon (ADH), das die Urinproduktion beeinflusst. Normalerweise gibt die Hirnanhangdrüse nachts mehr ADH ab, als tagsüber, so dass die Niere im Schlaf weniger Urin bildet. Die Blase füllt sich also langsamer als tagsüber und es kommt nicht so schnell zu Harndrang. Erhöht sich jedoch der ADH-Spiegel nachts nicht ausreichend, so ist die Blase rasch überfüllt.
Ist dies die Ursache, so kann sie heute sehr gut therapiert werden. Es gibt Medikamente mit dem hormonähnlichen Wirkstoff DDAVP oder Desmopressin (Minirin), der meist als Nasenspray verschrieben wird.
Dieses Medikament ist in der Regel sehr gut verträglich und muss unmittelbar vor dem Schlafengehen angewendet werden. es gleicht den Hormonmangel aus und ist in ca. 70% der Fälle erfolgreich. Nach durchschnittlich einem halben Jahr bleiben die meisten Patienten auch nach dem Absetzen desmedikamentes trocken.

Ein weiteres häufiges Problem liegt darin begründet, dass Kinder oft so tief schlafen, dass sie den Weckreiz des Gehirns bei gefüllter Blase nicht wahrnehmen. Im Laufe der weiteren Hirnreifung verbessert sich die Verschaltung zwischen Gehirn und Blase aber meist. Hier hilft also nur Abwarten. Eine sogenannte Klingelhose wird oft empfohlen, ist aber nur selten wirklich hilfreich und stresst meistens du ganze Familie, weil alle durch sie wach werden, nur das betroffene Kind nicht.

Auch beim Einnässen tagsüber ist ein sehr versunkendes Spiel oft der Grund, dass das Signal der gefüllten Blase nicht rechtzeitig wahrgenommen wird.

Bei Kindern mit AD(H)S kommt es zugleich mit einer medikamentösen Behandlung des AD(H)S durch Stimulantien wie Methylphenidat (Ritalin, Medikinet, Equasym oder Concerta) oder durch Atomoxetin (Strattera) oft zu einer verbesserten Wahrnehmung des Weckreizes, den die gefüllte Blase aussendet, so dass das Einnässen sich bei ihnen damit häufig vermindert oder ganz verschwindet.





Dieser Link führt zu den Empfehlungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie zur Enuresis:
http://www.kinderpsychiater.org/tmonat10-2000.htm

dieser den Diagnoseleitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften:
http://www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/028-026.htm

und dieser zu den Informationen eines Kinder-Nephrologen:
http://www.kinderkliniken.de/klinik/fachgebiete/bes.html





Nicht zum Einnäss-Stoppen, aber zum Streß- und Kostenreduzieren:


Matratzenschutz.

Es gibt im Sanitätshaus wasserdichte Matratzenbezüge, auch in voller Matratzengröße ähnlich einem Spannbettuch nach Wunsch aus Kunststoff zum Abwaschen oder mit Textilbeschichtung, dadurch gemütlicher aber wäschebergsteigernd, sowie - auf Bestellung - auch als "Matratzenvollschutz" aus Latex zum Rundumeinpacken derselben mit Reißverschluss .
Darüberhinaus gibt es - ziemlich teure - saugfähige feuchtigkeitsundurchlässige Einmal-Unterlagen, leider so schmal, dass man sie nicht feststecken kann, für unruhige Schläfer also nur bedingt geeignet, bei großen Urinmengen aber dennoch hilfreich als zusätzliches Aufsaugreservoir.


Windeln.

a) Windeldauerverordnung: Der Arzt kann Windeln ab einem Alter, in dem Kinder normalerweise trocken sind, bei regelmäßigem Einnässen auf Rezept verschreiben, gültig für jeweils ein Jahr. Die Kasse zahlt's und die Apotheke bestellt sie nach Bedarf. Wichtig: Die Krankenkasse zahlt nur noch Festpreise für Windeln. Wenn Sie oder Ihr Kind diese einfachen, preiswerten Windeln aus irgendeinem Grund nicht benutzen können, müssen Sie den Differenzbetrag zu der von Ihnen bevorzugten Sorte selbst bezahlen. Es lohnt sich, Angebote verschiedener Apotheken und/oder Sanitätshäuser einzuholen. Wenn Sie den Bedarf der teureren Sorte gut begründen können, können Sie auch versuchen, im Rahmen einer Einzelfallentscheidung Ihre Krankenkasse um die Übernahme auch der teureren Windelsorte zu bitten.

b) Windelsorte: Es gibt auch für größere Kinder und Erwachsene Windeln, die nach Art der Pampers Trainers gearbeitet sind. Z. B. Tena Pants. Die kleinste Größe ist auch für zarte, aber den Trainers entwachsene Kids passend. Sie halten auf jeden Fall dichter als Einlagen. Und die meisten Kinder können sie alleine diskret an- und ausziehen wie eine Unterhose und sind damit selbständiger.
Noch etwas besser saugfähig, aber schwieriger anzulegen sind die Tena flex, welche wie die Tena Pants eine textilähnliche, hautfreundliche Struktur aufweisen, aber wie eine klassische Windel geöffnet werden müssen. Aber sie haben einen Klettverschluss, der beliebig häufige Korrekturen ermöglicht. Hier ist die kleinste Größe etwas weiter als bei den Pants, so dass sie nur für Kinder etwa ab der Pubertät und für Erwachsene in Frage kommen.


Wäscheschutz.

Bei einem erheblichen Einnässen tagsüber kann man auch bei Schulkindern auf entsprechende Weise Inkontinenzvorlagen verordnet bekommen, wie sie für Erwachsene üblich sind, wenn das Kind zum Beispiel eine Regelschule besucht und Windeln so leicht unter der Kleidung erkennbar wären, dass die Gefahr des Gehänseltwerdens besteht. Apotheken und Sanitätshäuser können Probepäckchen der einzelnen Hersteller besorgen, so dass man zu Hause ausprobieren kann, welche für die individuelle Situation die geeignetsten sind.


Bettzeug.

Es empfiehlt sich bei starkem Einnässen und/oder Einkoten, wasch-, noch besser kochbare Oberbetten und Kopfkissen anzuschaffen. Bei sehr starkem Einnässen am besten gleich doppelt oder dreifach, um nachts nicht plötzlich um Nachschub verlegen zu sein ...


Hautschutz.

Bei Babys ist es selbstverständlich, dass Po und Genitalbereich gegen die Reizstoffe durch Eincremen geschützt werden. Das sollte dem älteren Kind auch geraten werden, wenn die Haut empfindlich reagiert, denn ständiges Wundsein oder andere Formen der Hautüberreizung sind nicht nur schmerzhaft, sondern können auf Dauer zu schwerwiegenderen Hautproblemen führen. Eine gut verteilbare und gut schützende Salbe ist zum Beispiel Linola Fett N, erhältlich in Apotheken. Diese kann das Kind, wenn es schon einigermassen "vernünftig" ist, auch problemlos selbst auftragen.

Man sollte niemals

seinen eventuellen Frust übers Einnässen (oder Einkoten) das Kind spüren lassen, denn dies verschlimmert das Problem erheblich.


Keine

Beschränkung der Flüssigkeitszufuhr, auch nicht abends!
Kein Wecken!
Kein "Abhalten"!
Kein Schimpfen!
Keine Strafen!



Es gibt auch Kinder, die nie "richtig" trocken werden.
Es gibt auch Erwachsene, die noch einnässen.
Man sollte die Betroffenen dann mit Vorwürfen verschonen, sondern lieber versuchen, ihr Selbstbewusstein aufzubauen, denn den allermeisten Kindern ist das Vorkommnis auch so schon peinlich genug.






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